Kategorie: ANTIQUITEXT

Mann zieht Amerikanerin einem Pudel vor

Zwei Dinge haben sich in der Menschheit nie durchsetzen können: der Pudel für die Dame – und das Handgelenktäschchen für den Herrn. Diese Werbung mit einem Quartett von Mann, Frau, Zigarette und Pudel verdeutlicht, warum dem so ist.

Zum Pudel: Die Frau führt einen Pudel mit sich und fühlt sich irgendwie geschätzt vom Mann an ihrer Seite. Aber nur irgendwie. Es ist ihr nicht entgangen, dass der Mann eigentlich eine ganz andere Leiden- und Liebschaft hegt: die Amerikanerin. Immer offener führt er sie aus, mittlerweile gar am helllichten Tag. Noch schlimmer: sogar in Anwesenheit der Frau. Der Pudel bleibt unbeachtet.

Ihr dämmert: Der Pudel muss ins Heim.

Ihr dämmert: Der Pudel muss ins Heim.

Zum Handgelenktäschchen für den Herrn (es gibt noch ganz andere, weniger schmeichelhafte Bezeichnungen für dieses unselige Accessoire): Man braucht nur das Bild zu betrachten, dann wird einem sofort klar, dass ein solches Herrentäschchen gänzlich unnütz wäre. Nicht eine einzige Zigarette fände darin Platz! Und es ist nicht irgendeine Zigarette, von der wir sprechen, sondern die wahre, die gepflegte, die grosse Freundin. Die Amerikanerin. Die Blue Ribbon.

Der sichtlich lebensfrohe Mann umfasst die Tabakware denn auch viel zärtlicher als die Frau, bei welcher sein Griff eher an ein verkrampftes Festkrallen gemahnt. Es ist sein schlechtes Gewissen, das hier greifbar wird. Denn auch er weiss: Er kann die Zigarette drehen und wenden und über das Strassenpflaster mondäner Städte rollen lassen, wie er will, die Frau hat nicht den Hauch einer Chance gegen die grosse Amerikanerin. Niemals. Nie.

Die Werbung hatte derart prägenden Einfluss auf die Damenwelt, dass Frauen bis heute das Gefühl haben, mit einem Pudel niemals gegen eine Nebenbuhlerin vom Format einer langen, schlanken Amerikanerin bestehen zu können. Die Frau hat einen ersten Entschluss gefasst: Der Vierbeiner muss ins Tierheim. Der gemeine Pudel, gekraust, ist heute vom Aussterben bedroht.

 

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«Ich schmeichle mir, Ausserordentliches zu leisten»

Manche Dinge sollte man so stehen lassen, wie sie geschrieben wurden. Weil sie stimmen und passen. Das gilt zum Beispiel für Texte von Volltext. Oder für dieses Inserat hier. Der Texter verneigt seine Schreibfeder, geniesst und schweigt.

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Der Texter geniesst und schweigt.

Transkription:


Wien, im März 1871

P.T. (Anm. Volltext: bei der Ansprache von unbekannten Personen die Nennung des Titels ersetzend, von lateinisch pleno titulo: «mit vollem Titel»)

Mit Gegenwärtigem bin ich so frei, meinen P.T. Geschäftsfreunden die ergebene Mittheilung zu machen, daß ich in Folge größerer Ausdehnung meines En gros Geschäftes meine bis jetzt innegehabten Lokalitäten in der Mariahilferstraße Nro. 70 aufgegeben und ein neues, großartiges Lokal in der

Elisabethstraße Nro. 5,

hinter dem Heinrichshof,

aufgenommen habe.
Daselbst vereinigte ich mein Comptoir mit allen Magazinen, und ist es nicht übertrieben, wenn ich behaupte, daß auf diese Weise eines der

größten Nähmaschinen-Lokale in Europa

hergestellt ist.
Mehr als tausend Maschinen werden stets im fertigen Zustande zur Auswahl aufgestellt sein, und sind dieselben durch alle bis jetzt anerkannt guten Systeme vertreten. Ebensoviele Maschinen werden für auswärtige Bestellungen verpackt bereit stehen, um alle Aufträge auf das Prompteste effektuiren zu können.

Was Qualität und Preise anbelangt, so schmeichle ich mir gerade hierin etwas Außerordentliches leisten zu können, und dürfte mein nicht unbedeutender Umsatz im In- und Auslande den besten Beweis dafür liefern. Zudem ich bitte, alle zukünftigen Briefe an die jetzige Adresse zu richten, verharre hochachtungsvoll

Albert H. Curjel

Wien, Elisabethstraße Nro. 5


PS: Albert H. Curjel findet man noch heute im Web: Er war der «bekannteste Fahrradhändler Wiens» und k.u.k. Hoflieferant

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